Stellungnahme von Tierarzt Dr. Berg zum Stern-Artikel: Hundefutter im Test der Stiftung Warentest
7.06.2016
Unser Tierarzt und Futtermittelexperte Dr. Gregor Berg nimmt in diesem Artikel Stellung zum Stern-Artikel über den Hundetrockenfutter Test der Stiftung Warentest. Lesen Sie hier den Original-Artikel im Stern.
Wieder mal die Stiftung Warentest, wieder mal Tierfutter, diesmal im Prüfstand: Trockennahrung für Hunde. Die Ergebnisse ähneln denen der Futtertests aus den Jahren davor und lassen Tierhalter und Fachleute gleichermaßen mit gemischten Gefühlen zurück.
Ganz vorne als Testsieger mit sehr guten Noten, viele Marken der unteren Preiskategorien, d. h. Discounterfutter und die Produkte der großen etablierten Massenmarken. Auf den hinteren Rängen dagegen auffällig viele Premiumprodukte, also solche, bei denen der Fokus auf eine hohe Qualität der Inhaltsstoffe gelegt wurde.
Was soll man jetzt glauben? Ist es egal woher die Rohstoffe stammen, aus denen dann Tierfutter gemacht wird? Macht es keinen Unterschied, ob die Nährstoffe im Napf größtenteils künstlich zugesetzt wurden oder ob der Hersteller versucht hat möglichst viele Vitamine und Mineralstoffe aus Fleisch, Kartoffeln und Gemüse zu verarbeiten? Ich als Tierarzt und Futtermittelexperte habe hierfür nur eine Antwort: Es ist nicht egal, woher die Rohstoffe stammen und es macht einen Unterschied, ob hochwertige oder minderwertige Rohstoffe verarbeitet wurden. Doch gehen wir ins Detail.
Die Bedarfszahlen müssen eingehalten werden
Hunde und Katzen haben – wie alle Lebewesen – einen Bedarf an bestimmten Nährstoffen, d. h. sie müssen mit dem Futter Proteine, Vitamine, Mineralstoffe und andere Bestandteile aufnehmen, damit sie gesund bleiben und ihr Stoffwechsel einwandfrei funktionieren kann. Ein Futter, das vom Hersteller als „Alleinfutter“ deklariert wurde, muss diesen Bedarf erfüllen. Enthält ein Futter deutlich weniger oder mehr Nährstoffe, als es dem durchschnittlichen Bedarf einer Tierart oder Altersstufe entspricht, dann sollte dieses Futter nicht als Alleinfuttermittel bezeichnet werden und darf zurecht in der Kritik stehen. Ein Alleinfutter muss den kompletten Bedarf einer Tierart decken. Punkt. Werden die geforderten Nährstoffgehalte nicht erzielt oder maßgeblich überschritten, ist das Futter kein Alleinfutter. Bis hierhin bin ich mit den von Stiftung Warentest gezogenen Schlussfolgerungen einverstanden. Aber: An dieser Stelle endet die Futterprüfung von Stiftung Warentest, zumindest in der Hauptsache. Und das ist in meinen Augen zu kurz gegriffen.
Bedarfswerte sind wichtig, aber nicht das einzige Kriterium für ein gutes Futter
Früher war alles einfach: Menschen und Tiere haben gegessen, was sie gefunden haben oder erlegen konnten. Heute gibt es für die meisten Dinge Grenzwerte, Durchschnittswerte, Richtwerte und Verbrauchswerte – ganz besonders, wenn es um Tierfutter geht. Und das ist auch gut so, denn: Alleinfutter wird zusammengestellt und Hunde- sowie Katzenhalter verlassen sich auf die Fachkompetenz der Hersteller, dass darin alles enthalten ist, was der eigene Liebling braucht. Aber kann es völlig egal sein, wie diese (Zahlen-)Werte erreicht werden? Ist es egal ob der Hersteller genau angibt, welche Tierarten verwendet wurden oder ob er die Inhaltsstoffe hinter Oberbegriffen versteckt? Ist es egal ob 4 % oder 40 % Fleisch verarbeitet wurden? Die Antwort ist für mich als Tierarzt und Futtermittelexperten ganz eindeutig: Es macht einen Unterschied, sogar einen großen! Je genauer ein Hersteller angibt, was er genau ins Futter packt, desto weniger Möglichkeiten hat er, minderwertige Rohstoffe zu verwenden. Und ein ordentlich großer Fleischanteil entspricht viel mehr der natürlichen Nahrungszusammensetzung eines Hundes als ein Gemisch aus verschiedenen tierischen und pflanzlichen Rohstoffen unbekannter Herkunft. Diesen Aspekt lässt Stiftung Warentest völlig beiseite: Qualität und Herkunft der Inhaltsstoffe, Fleischanteil und detaillierte Angaben der verwendeten Rohstoffe sind Kriterien, die im aktuellen Test (wie auch bei den Tests der vorherigen Jahre) keine Rolle spielen.
Trotzdem: egal wie hochwertig die Inhaltsstoffe sind, aus fachlicher Sicht ist es notwendig einem Alleinfutter ausgewählte Nährstoffe gezielt zuzusetzen, da beispielsweise manche während des Herstellungsprozesses zerstört werden, aber das heißt noch lange nicht, dass ein Hersteller sich nicht darum bemühen sollte, möglichst viel aus natürlichen Quellen ins Futter zu bringen.
Ein gutes Futter braucht auch eine hohe Qualität der Zutaten
Proteine, Vitamine, Mineralstoffe etc. kommen in unterschiedlichen Rohstoffen wie Fleisch, Gemüse usw. natürlicherweise vor und können so ins Futter gelangen, sie können aber auch künstlich gewonnen und dann dem Futter zugesetzt werden. Die Nährwertanalyse des Futters – und alleine hierauf stützt sich die Bewertung von Stiftung Warentest in der Hauptsache – zeigt in beiden Fällen den gleichen Wert an. Der aktuelle Hunde-Trockenfutter-Test unterscheidet nicht, wie diese Nährwerte erreicht werden, ob also der Vitamingehalt durch künstlich zugesetzte Zusatzstoffe oder durch z. B. Gemüse erzielt wird. Auch ob z. B. die Proteine aus pflanzlichen Rohstoffen wie Soja oder Mais stammen oder ob aus Teilen vom Huhn, Rind oder Lamm, darauf gehen die Tester bei der Bewertung nicht ein. Und das ist meine Hauptkritik am Testverfahren. Stiftung Warentest schaut ausschließlich auf die Nährwerte. So kommt es, dass Hersteller, die viele künstliche Zusatzstoffe einsetzen und viele (Rest-)Produkte aus der Lebens- und Futtermittelindustrie ins Futter packen, sehr gut abschneiden. Denn: es liegt auf der Hand, dass beispielsweise eine bestimmte Aminosäurezusammensetzung exakter durch einzelne, künstlich gewonnene Hydrolysate erreicht wird, als durch Putenbrust mit Kartoffeln und Ei. Exakter ist das schon, aber natürlicher und gesünder?
Richtig ist auch, dass durch die Temperaturen während des Produktionsprozesses Vitamine zerstört werden (genauso wie man z. B. beim Kochen von Bio-Karotten zu Hause Vitamine zerstört). Diese Vitamine sollte jeder Hersteller dann auch zusetzen, damit im fertig produzierten Futter auch wirklich noch alles drin ist, was das Tier braucht. Aber was und wieviel ein Hersteller zusetzen sollte, darin gibt es doch deutliche Unterschiede. Prinzipiell gilt, dass je natürlicher und hochwertiger die Ausgangsmaterialien sind, desto mehr Nährstoffe sind im Futter auf natürliche Weise enthalten. Das, was dann noch zugesetzt werden muss, ist deutlich weniger, als wenn man minderwertige Rohstoffe nimmt und den Rest einfach mit Zusatzstoffen auffüllt.
Und jetzt?
Stiftung Warentest hat recht, was die Bewertung der Nährstoffgehalte betrifft. Ein Alleinfutter muss alles in der richtigen Menge enthalten und nicht deutlich zu wenig oder zu viele Nährstoffe. Die Beachtung allein dieses Aspekts greift aber zu kurz. Woher die Rohstoffe stammen, wieviel richtiges Fleisch im Futter enthalten ist und ob versucht wurde, möglichst viele Nährstoffe auf natürliche Weise bereitzustellen, spielt genauso eine Rolle und muss in die Beurteilung eines Futters genauso einbezogen werden. Die Auswahl des Futters für das eigene Tier ist daher auch zu großen Teilen Vertrauenssache, in eine Futtersorte, in einen Hersteller. Der Futterhändler und andere Fachleute können hierzu weitere Auskünfte geben.
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